Ab 1. Januar 2023 mehr Verfügungsfreiheit für Erblasser

Das bestehende Erbrecht wird heutigen Lebensrealitäten mit seinen vielfältigen Familien- und Beziehungsformen kaum noch gerecht. Erblassern soll es daher künftig möglich sein, über einen grösseren Teil ihres Nachlasses frei zu verfügen. Namentlich faktische Lebenspartner oder Stiefkinder können somit besser bedacht werden.

Ein erster Teil des revidierten Erbrechts wird auf den 1. Januar 2023 in Kraft treten. Nachfolgend wird eine Auswahl der wichtigsten Neuerungen präsentiert.

Kleinerer Pflichtteil - grössere frei verfügbare Quote

Damit Erblasser in Zukunft mehr Verfügungsfreiheiten besitzen, kommt es im Pflichtteilsrecht zu Neuerungen. Doch was ist der Pflichtteil? Der Pflichtteil garantiert nach geltender Gesetzeslage den Kindern, den Eltern und der überlebenden Ehegattin eines Erblassers einen zwingenden Anspruch auf einen Anteil ihres gesetzlich vorgesehenen Erbteils – unabhängig davon, ob dieser durch den Erblasser per Testament oder Erbvertrag eingeschränkt wird oder nicht. Demgegenüber greift der gesetzliche Erbanspruch immer dann, wenn der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen getroffen hat.

Heute stehen den Nachkommen drei Viertel des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil zu. Künftig wird dieser nur noch die Hälfte betragen. Eine gewichtige Neuerung stellt sodann der Wegfall des Pflichtteilsanspruchs der Eltern dar. Obwohl diese zwar künftig nicht mehr pflichtteilsgeschützt sein werden, bleiben sie gesetzliche Erben. Überdies bleibt die Höhe des gesetzlichen Erbanspruchs durch die Erbrechtsrevision unverändert.

Kommt es nach dem neu revidierten Erbrecht zum Erbfall, ist demnach zu unterscheiden, ob der unverheiratete Erblasser über Nachkommen verfügt oder nicht. Falls er keine Nachkommen hat, kann über den ganzen Nachlass verfügen und diesen seinem faktischen Lebenspartner oder seiner faktischen Lebenspartnerin oder seinen Stiefkindern vermachen. Das bedeutet aber auch, dass eine Konkubinatspartnerin von Gesetzes wegen auch unter dem neuen Recht weder gesetzlichen noch pflichtteilsrechtlichen Schutz erfährt, wenn der Erblasser diese nicht aktiv durch ein Testament oder Erbvertrag begünstigt.

Wenn ein verheirateter Erblasser hingegen eine Ehegattin und zwei Nachkommen hinterlässt, beträgt der Pflichtteil der Ehefrau neu ein Achtel (nach bisherigem Recht ein Viertel) und der Pflichtteil jedes Kindes ein Viertel (bis anhin drei Achtel) des Nachlasses. Damit kann der Erblasser somit neu insgesamt über fünf Achtel gegenüber aktuell drei Achtel seines Nachlasses frei verfügen.

Nicht unerwähnt darf zudem bleiben, dass insbesondere bei der Zuweisung von Liegenschaften die grössere frei verfügbare Quote nicht zu unterschätzende Vorteile bietet und so praktikablere Lösungen ermöglichen dürfte.

Neue Folgen in Scheidungsverfahren

Nach aktueller Rechtslage fällt der Erb- und Pflichtteilsanspruch eines Ehegatten erst mit dem Eintritt eins formell rechtskräftigen Scheidungsurteils dahin.

Das revidierte Erbrecht sieht nun als gewichtige Neuerung vor, dass die Ehegatten unter bestimmten Voraussetzungen ihren gegenseitigen Pflichtteilsanspruch bereits bei der Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens verlieren. Es gilt aber darauf hinzuweisen, dass der gesetzliche Erbanspruch davon unbenommen bleibt. Diese Konstellation ist dann von Relevanz, wenn der Erblasser keine Verfügungen von Todes wegen getroffen hat, die die Ehegattin vom Erbe ausschliessen würde.

Klarheit in der Säule 3a

Neu verfügen begünstigte Personen, unabhängig von der Form der Vorsorge, über einen eigenen Anspruch auf die Leistung und direkte Auszahlung gegenüber der Versicherungseinrichtung oder der Bankstiftung. Die Leistungen der Säule 3a werden somit nicht Teil des Nachlasses, finden aber bei der Berechnung des PflichtteilsBerücksichtigung und unterliegen somit der Herabsetzung.

Aufgepasst, bereits jetzt!

Obwohl die neuen Regelungen erst am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, gilt es das neue Pflichtteilsrecht bereits jetzt bei der Nachlassplanung zu berücksichtigen. Denn aufgrund des im Erbrecht geltenden Todestagsprinzips findet das revidierte Erbrecht ab 1. Januar 2023 Anwendung, unabhängig davon, ob ein allfälliges Testament oder ein Erbvertrag noch unter altem Recht errichtet wurde. Bereits bestehende letztwillige Verfügungen oder Erbverträge, in denen Nachkommen oder Eltern auf den Pflichtteil gesetzt wurden, sind daher zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Es ist insbesondere klärend festzulegen, ob Nachkommen auch nach dem 1. Januar 2023 lediglich den Pflichtteil, sprich neu die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs, oder doch wie bis anhin drei Viertel davon im Erbfall erhalten sollen.

Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen rund um das revidierte Erbrecht, insbesondere bei Beratungen und Anpassungen bestehender Verfügungen von Todes wegen zur Verfügung.