Die Crux mit der nichtigen Reservationsvereinbarung

Wer eine Liegenschaft verkaufen bzw. kaufen will, hat das Bedürfnis, möglichst rasch und einfach das Gewünschte verbindlich zu vereinbaren. Dem steht das Gesetz entgegen, weil bereits eine Reservationsvereinbarung die Form der öffentlichen Beurkundung erfordert. Der Beitrag fasst die Rechtslage zusammen und versucht, Alternativen aufzuzeigen.

Ausgangslage

Dass ein Grundstückkaufvertrag für seine Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung durch einen Notar bedarf, weiss jeder Immobilienprofi. Dass bei einem entsprechenden Vorvertrag dieselbe Form erfüllt sein muss, sollte auch zum juristischen Allgemeinwissen gehören. Nichtsdestotrotz besteht in der Praxis sowohl für den Kaufinteressenten als auch für den Verkäufer ein Bedürfnis, eine rasche, einfache, kostengünstige und möglichst verbindliche Regelung für das beiderseitige Interesse am Kaufvertrag zu schaffen. Diese Vereinbarungen werden Vorvertrag, Reservationsvereinbarung oder ähnlich genannt und meist in einfacher Schriftlichkeit geschlossen. Der Abschluss dieser Vereinbarung wird oft mit einer Anzahlung verbunden, welche in der Regel zumindest teilweise beim Verkäufer verbleiben soll, wenn der öffentlich beurkundete Kaufvertrag nicht zu Stande kommt. Solange dieser zweite Schritt erfolgt, ergeben sich keinerlei juristischen Probleme, denn mit dem Abschluss des öffentlich beurkundeten Kaufvertrages ist der Formmangel des Vorvertrags geheilt. Kommt es jedoch – aus welchen Gründen auch immer – nicht zum Abschluss des Kaufvertrages, stellt sich die Frage nach der Rückforderbarkeit der Anzahlung. Grundsätzlich kann der Kaufinteressent die Anzahlung vollumfänglich zurückfordern, weil der Vorvertrag nichtig und damit ohne jede Rechtwirkung ist. Es fehlt dem Verkäufer ein Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Anzahlung; sie kann folglich aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückgefordert werden. Oft kommt es im Rahmen solcher Rückforderungen zu einer Lösung, in welcher der Verkäufer einen Teil der Anzahlung zurückerstattet und für seinen eigenen Aufwand eine Entschädigung verrechnet. Ein nicht mehr kaufwilliger Interessent haftet in jedem Fall für allenfalls bereits entstandene Notariatskosten für die Vorbereitung der Kaufvertragsurkunde.

Culpa-Haftung

Im Jahr 2013 behandelte das Bundesgericht im Verfahren 4A_413/2013 einen insofern atypischen Fall aus dem Kanton Tessin, als dass nicht der Käufer, sondern der Verkäufer sich nicht an eine grundsätzlich nichtige Vorvertragsregelung halten wollte. Die Parteien hatten sich verpflichtet, der jeweiligen Gegenpartei den Betrag von CHF 100'000.00 zu bezahlen, sofern der Kaufvertrag über einen Stockwerkeigentumsanteil nicht verurkundet würde. Das Bundesgericht hielt wie das Kantonsgericht Tessin fest, dass die Vereinbarung einer Konventionalstrafe für den Fall, dass ein öffentlich zu beurkundender Vertrag nicht abgeschlossen werde, stets der öffentlichen Beurkundung bedürfe. Es hielt zudem fest, dass die Berufung des Verkäufers auf den Formmangel nicht rechtsmissbräuchlich sei, weil der Vertrag noch nicht vollständig erfüllt worden sei. Dennoch sandte das Bundesgericht den Fall zurück ans Kantonsgericht Tessin. Es erachtete die Voraussetzungen für eine Haftung des Verkäufers aus culpa in contrahendo mit pauschaliertem Schadenersatz unter Umständen als gegeben. Die Culpa-Haftung kommt dann zur Anwendung, wenn eine Partei schuldhaft vorvertragliche Verpflichtungen verletzt. Dazu gehört unter anderem die Pflicht zu redlichem Führen von Vertragsverhandlungen. Weil die Gerichte im Kanton Tessin die entsprechenden Sachverhaltselemente nicht abgeklärt hatten, wurde der Fall zur Klärung des Sachverhalts zurückgewiesen.

Negative Exklusivität

Im kürzlich publizierten Bundesgerichtsentscheid 4A_390/2015 aus dem Kanton Aargau standen sich zwei Partner eines auf zwei Jahre befristeten Mietvertrages gegenüber. Dieser wurde bereits vor Vertragsbeginn mittels mehreren, juristisch unsauber redigierten Nachträgen erweitert. Ebenso wurde festgehalten, dass eine Auflösung des Mietvertrages nach 18 Monaten in Verbindung mit einem Kauf der Liegenschaft möglich sei. Der Kaufpreis wurde auf CHF 800'000.00 festgelegt und eine Anzahlung von CHF 40'000.00 vereinbart. Dafür verpflichtete sich der Vermieter/Verkäufer, bis zum Ablauf des Mietvertrages keine weiteren Kaufinteressenten zu suchen. Der Kaufvertrag kam letztlich aufgrund von Umständen, welche von den Mietern zu vertreten waren, nicht zu Stande. Hierauf führten die Parteien einen erbitterten Rechtsstreit durch alle Instanzen. Nach einer ersten Prozessrunde bis vor Bundesgericht war nur noch streitig, wie die Vereinbarung bezüglich der Anzahlung zu interpretieren sei. Das Bezirksgericht war davon ausgegangen, dass ein Haftgeld im Sinne eines Angelds vereinbart worden sei. Weil die Mieter die Ursache für das Scheitern des Vertrags gesetzt hatten, sei das Haftgeld dem Verkäufer verfallen. Das Obergericht Aargau interpretierte die Vereinbarung betreffend Anzahlung dagegen als Vorvertrag. Es kam zum Schluss, dass die Regelung mangels öffentlicher Beurkundung nichtig sei, weshalb die Mieter den Betrag zurückfordern könnten. Das Bundesgericht beurteilte den Fall anders: Beide Parteien seien sich im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Nachtrags einig gewesen, dass keine Verpflichtung zum Abschluss des Kaufvertrags begründet worden sei. Vielmehr sei eine negative Verpflichtung des Vermieters/Verkäufers vereinbart worden, während zwei Jahren keine anderen Interessenten zu suchen. Diese Zeit hätte den Mietern/Käufern dazu dienen sollen, unter anderem die Finanzierung des Kaufs zu klären. Eine solche negative Verpflichtung unterliege aber keiner Formpflicht. Das Bundesgericht wies deshalb die Klage auf Rückerstattung der Anzahlung ab.

Fazit

Die beiden erwähnten Entscheide zeigen eindrücklich auf, wie problematisch Reservationsvereinbarung und Anzahlungen sein können, wenn es nicht zum Abschluss des Hauptvertrages kommt. Speziell der zweite Fall zeigt aber auch auf, dass es Wege aus dieser Problematik gibt. Ist beispielsweise im Rahmen eines Projekts Stockwerkeigentum noch nicht begründet worden, haben sowohl der Projektentwickler als auch Interessenten ein Bedürfnis, verbindliche Regelungen zu treffen, ohne zwingend einen Notar in Anspruch nehmen zu müssen. Dies kann auch mit einer sorgfältig redigierten, negativen Exklusivitätsvereinbarung erfolgen. Zu berücksichtigen sind hierbei auch die berechtigten Interessen des Kaufinteressenten. So gilt es festzuhalten, wie mit der Anzahlung zu verfahren ist, wenn der Kaufvertrag aus Gründen scheitert, die beim Verkäufer liegen. Umgekehrt ist acht zu geben, dass die kaufvertraglichen Verpflichtungen nicht bereits zu detailliert erfasst werden, weil dies unter Umständen eine Umqualifizierung der Vereinbarung in einen formnichtigen Vortrag zur Folge haben könnte.

Dieser Text wurde in derselben Form in der Septemberausgabe des Jahres 2016 der immobilia, der Verbandszeitschrift des SVIT Schweiz, publiziert. Bei Fragen rund um diesen Themenbereich stehen Ihnen Maurice Moser und Michel de Roche sehr gerne zur Verfügung.