Ladestationen für E-Fahrzeuge
Handlungswege im Stockwerkeigentum

Die Installation von Ladestationen für Elektrofahrzeuge in gemeinschaftlichen Einstellhallen wird nach überwiegender Auffassung als «nützliche» bauliche Massnahme gemäss Art. 647d ZGB betrachtet. Deren Vornahme unterliegt der Beschlussfassung mit qualifiziertem Mehr nach Köpfen und Wertquoten. Dabei sollte die Gemeinschaft einen weitblickenden Ansatz verfolgen und ein Ladesystem errichten, das einen wachsenden Bedarf abdecken kann.

In der Schweiz ist Elektromobilität gefragter als je zuvor. Gleichzeitig steigt das Bedürfnis nach geeigneten Lademöglichkeiten. Obwohl das Angebot an öffentlichen Ladestationen stetig wächst, sind Benützer von E-Fahrzeugen langfristig darauf angewiesen, zuhause eine eigene Ladestation zu haben. Steht das Fahrzeug dort in einer gemeinschaftlichen Einstellhalle, wie das bei den meisten Stockwerkeigentümern der Fall ist, stellen sich schnell komplexe Rechtsfragen.

TECHNISCHE VORAUSSETZUNGEN

Für das dauerhafte Laden eines Elektrofahrzeuges ist eine gewöhnliche Haushaltssteckdose ungeeignet. Soll in einer kleinen Gemeinschaft mit nur wenigen Fahrzeugen keine eigenständige Ladestation errichtet werden, ist zumindest eine sog. CEE-Industriesteckdose notwendig. Meistens müssen solche in Einstellhallen erst noch von einem Elektroinstallateur eingebaut werden. Zudem lässt sich die Überlastung des Stromkreises mit einem rudimentären Lastmanagementsystem verhindern, der die verfügbare Ladeleistung gleichmässig verteilt. Trotz der damit verbundenen Kosten ist aber nur eine sehr beschränkte Ladeleistung verfügbar, d.h. die Ladezeit ist relativ lang und der Hausanschluss derweil – gerade bei zeitgleicher Ladung von mehreren Fahrzeugen – stark belastet.

NEUE LADEINFRASTRUKTUR

Bedarf es einer schnelleren Lademöglichkeit oder handelt es sich ohnehin um eine grössere Stockwerkeigentümergemeinschaft, ist die Installation einer eigenständigen Ladestation mit erhöhter Stromleistung unabdingbar. Der erwähnte Überlastungsschutz sowie weitere Sicherungsmassnahmen sind darin integriert. Die Stromabrechnung zwischen den Benutzern erfolgt mittels einer integrierten Software. Mit dieser kann auch der Zugang zur Ladestation auf einen einzelnen oder mehrere Stockwerkeigentümer beschränkt werden. Es besteht inzwischen eine erhebliche Bandbreite an verfügbaren Ladesystemen, die vom Basismodell zu sehr ausgeklügelten Infrastrukturen reicht. Deren Installation und Benutzung ist mit ebenso variierenden Einrichtungs- und Betriebskosten verbunden. Dabei sind auch hierzulande innovative Ladesysteme erhältlich, die mit einer externen Grundinstallation funktionieren. Solche Systeme erlauben die zeitgleiche Ladung von bis zu 30 Autos, ohne dass die bestehenden Hausanschlüsse ausgebaut werden müssen. Je grösser die Stockwerkeigentumsgemeinschaft, desto eher ist jedenfalls ein System zu wählen, welches möglichst viele Abstellplätze mit Strom versorgen und die zeitgleiche Ladung von mehreren Fahrzeugen sichern kann. Zudem soll es ein System sein, das sich später – bei Bedarf – mit relativ geringem Aufwand ausweiten lässt. Angesichts der derzeitigen Entwicklung ist nämlich damit zu rechnen, dass immer mehr Stockwerk­eigentümer eine Ladestation in Anspruch nehmen werden.

RECHTSLAGE BEI GEMEINSCHAFTLICHEN EINSTELLHALLEN

Tiefgaragen bilden meist eigenständige Stockwerkeinheiten, die im Miteigentum der jeweiligen Stockwerkeigen­tümer stehen. Den Stockwerkeigentümern (bzw. den Stockwerkanteilen) werden im Reglement lediglich Sondernutzungsrechte an den einzelnen Parkplätzen zugeteilt; die Einstellhalle – und damit auch die elektrische Infrastruktur – bleibt stets ein gemeinschaftlicher Teil. Sofern reglementarisch nicht anders geregelt, bedürfen bauliche Massnahmen daran – sei es für die Installation einer Industriesteckdose oder für den Ausbau einer gesamten Ladeinfrastruktur –  der Zustimmung der Miteigentümergemeinschaft (MEG). Wird diese nicht eingeholt und das benötigte Ladesystem eigenständig installiert, kann die Gemeinschaft deren sofortigen Beseitigung auf Kosten des entsprechenden Eigentümers verlangen.

BESCHLUSSFASSUNG

Der Einbau einer Ladestation für E-Fahrzeuge muss anlässlich einer Versammlung der Miteigentümergemeinschaft beantragt werden. Sinnvollerweise sind hierzu vorab die elektrotechnische Infrastruktur der Garage sowie mögliche Auswirkungen auf diese abzuklären. Obwohl diesbezüglich Gerichtsentscheide noch ausstehen, darf man davon ausgehen, dass die Installation einer Ladestation zwar keine notwendige, aber immerhin eine nützliche bauliche Massnahme darstellt, die – andere reglementarische Bestimmungen vorbehalten – gemäss Art. 647d ZGB das qualifizierte Mehr nach Köpfen und Wertquoten erfordert. Aufgrund der vielfältigen technischen Möglichkeiten ist mit diesem Beschluss gleichzeitig die Art des Ladesystems sowie die Verantwortung für dessen Errichtung und Betrieb möglichst detailliert zu regeln. Auch wenn nur eine Einzelfalllösung mit gewöhnlichem Anschluss an der Hausverteilungs­anlage beantragt wird, tut eine MEG gut daran, die Einrichtung eines ganzheitlichen, sog. smarten Ladesystems zu prüfen, um später auch Anschlüsse von weiteren Parkfeldern zu ermöglichen. Der Ausbau der elektrotechnischen Gebäudein­frastruktur bzw. das Einrichten einer ausbaufähigen Grundinstallation sind gegenüber einer beantragten Einzelerschliessung zumindest langfristig vorteilhafter (es sei denn, es werde nur eine Übergangslösung mit Blick auf eine ohnehin anstehende Sanierung gesucht).

UMSETZUNGSVARIANTEN

Je nach Beschluss der MEG sind bei der Umsetzung verschiedene Vorgehensweisen denkbar: Ist der antragsstellende Miteigentümer bereit, die Kosten für ein Ladesystem (und nicht nur für einen Einzelanschluss) zu übernehmen, kann ihn die Gemeinschaft zu dessen Installation ermächtigen. Gleichzeitig können sich die übrigen Miteigentümer das Recht einräumen lassen, das System – unter anteiliger Übernahme der Anschaffungs- bzw. Erschliessungskosten – später zu benützen, um auch ihr eigenes Parkfeld zu erschliessen. Alternativ dazu und mit Blick auf die zu erwartenden Entwicklungen kann die MEG beschliessen, dass sie die für ein funktionierendes Ladesystem erforderlichen Massnahmen selbst trifft. Hierbei kann sie zunächst eine Grundinfrastruktur erstellen und den antragsstellenden (oder später interessierten) Miteigentümer berechtigen, den Endausbau der Ladestation zu seinem Parkplatz auf eigene Kosten vorzunehmen. Möglich ist auch, dass die MEG jeweils den Endausbau zum Parkfeld bei Bedarf selbst vornimmt und diese Zusatzkosten dann auf den damit begünstigten Miteigentümer überwälzt. Gleiches gilt für die Unterhalts- und Betriebskosten: Entweder sie werden gesamthaft als Gemeinschaftskosten getragen (und teilweise auf den Endverbraucher überwälzt) oder die Gemeinschaft übernimmt diese nur für den Grundausbau und der jeweilige Strombezüger dann direkt für den Endausbau. Schliesslich gibt es die Möglichkeit, eine externe Partnerschaft einzugehen. Diverse private wie auch öffentliche Unternehmungen bieten in diesem Zusammenhang Allround-Pakete an: Die Grundinstallation sowie die benötigten Einzelanschlüsse werden dabei kostenlos eingerichtet. Die einzelnen Stockwerkeigentümer bezahlen dem Partner sodann einen einmaligen Anschlusspreis sowie die – allenfalls pauschal erhöhten – Betriebskosten und können die installierte Ladestation entweder mieten oder kaufen. Unabhängig von der gewählten Variante bleibt jedenfalls klar, dass der Stromverbrauch der Ladestation(en) auf die jeweiligen Strombezüger zu verteilen ist.

SCHLUSSWORT

Bei der Beschlussfassung über die Errichtung eines Ladesystems muss klar sein, wer, was, wieweit installiert und wer für den Unterhalt verantwortlich ist. Heutzutage gibt es diverse Anbieter, die es auch Liegenschaftsverwaltungen ermöglichen, eine Ladeinfrastruktur mit nur minimalen Aufwand zu betreiben. Alternativ dazu kann das Einrichten und der Betrieb der Ladeinfrastruktur ausgelagert werden. Auf lange Sicht werden Miteigentümer ihre Infrastruktur wohl nicht nur aus Solidarität zur Gemeinschaft für die Bedürfnisse der Elektromobilität anpassen müssen. Vielmehr ist in diesem Bereich vermehrt mit privat- und öffentlich-rechtlichen Auflagen zu rechnen. So müssen neu erstellte Autoeinstellhallen in Frankreich seit dem 1. Januar 2017 zwingend mit Ladestationen ausgerüstet werden.

 

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 11/2019 der Immobilia, der Verbandszeitschrift des SVIT Schweiz. Er wurde verfasst von Dr. Noémi Biro, unserer ehemaligen Mitarbeiterin, sowie Michel de Roche. Er steht Ihnen bei allen Immobilienfragen gerne zur Verfügung.