Anfangsmietzinsanfechtung: Klärung der Rechtsprechung!

Das Bundesgericht präzisierte jüngst seine Rechtsprechung zur Frage, ob bei der Anfechtung des Anfangsmietzinses der Mieter oder der Vermieter die Missbräuchlichkeit zu beweisen hat.

Sachverhalt

Im Jahr 2017 hatte eine Mieterin in der Stadt Zürich eine 2-Zimmerwohnung für monatlich CHF 1060 gemietet. Es handelte sich um eine Altbauwohnung in einer im Jahr 1933 erbauten Liegenschaft. Die Vormiete des vorherig knapp zwanzigjährigen Mietverhältnisses betrug CHF 738. Das Mietgericht Zürich erklärte den Mietzins 2019 als missbräuchlich und legte ihn auf CHF 855 fest. Das Zürcher Obergericht wies die Berufung der Vermieterin ab.

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der Vermieterin hingegen teilweise gut und wies die Sache zu neuem Entscheid an das Zürcher Obergericht zurück.

Erwägungen

Das Bundesgericht hielt zunächst fest, dass Mieter gestützt auf Art. 270 OR den Anfangsmietzins für Wohnräume als missbräuchlich anfechten und dessen Herabsetzung verlangen können, wenn er gegenüber dem früheren Mietzins erheblich erhöht wurde. Ob der Mietzins missbräuchlich ist, beurteilt sich bei Altbauten wie der vorliegenden primär anhand des Kriteriums der Orts- oder Quartierüblichkeit. Diese ist entweder basierend auf offiziellen Statistiken, die im konkreten Fall nicht verfügbar waren, oder unter Beizug von fünf Vergleichsobjekten zu prüfen. Bei der Anfechtung des Anfangsmietzins obliegt dem Mieter der Nachweis für die fünf Vergleichsobjekte, die mit dem strittigen Mietobjekt vergleichbar sein müssen.

Bei der Anfechtung des Anfangsmietzinses präzisierte das Bundesgericht seine Rechtsprechung in Bezug auf das Kriterium der Missbräuchlichkeit, wonach bei einer massiven Mietzinserhöhung von deutlich mehr als 10 % (vorliegend 44 %) gegenüber dem Mietzins des Vormieters ein missbräuchlicher Mietzins zu vermuten ist. Von einer massiven Erhöhung geht das Bundesgericht also mit Sicherheit dann aus, wenn der Mietaufschlag 40 % und mehr beträgt. Ungeklärt blieb hingegen, wo der Schwellenwert der massiven Erhöhung zwischen 10 % und 40 % zu orten ist.

In Fällen der massiven Erhöhung liegt es nach Auffassung des Bundesgerichts am Vermieter, die Vermutung der Missbräuchlichkeit des Mietzinses umzustossen. Dies gelingt ihm, wenn er an dieser mittels Indizien begründete Zweifel zu wecken vermag. Dabei gelten nicht die gleich strengen Anforderungen wie für den mieterseitigen Beweis der Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses. Das Bundesgericht führte in diesem Kontext als Option an, dass der Vermieter auch inoffizielle Statistiken oder andere Wohnobjekte beiziehen kann, welche die Anforderungen bezüglich Vergleichbarkeit nicht vollständig erfüllen. Ausserdem sprach sich das Bundesgericht für eine allfällige Geeignetheit eines Privatgutachtens aus, um die Vermutung der Missbräuchlichkeit zu erschüttern. Vorliegend anerkannte das oberste Gericht die Zulässigkeit des «Gutachtens Orts- und Quartierüblichkeit» des SVIT und des Swiss Real Estate Institute.

Das Bundesgericht hielt überdies fest, dass die Dauer des Vormietverhältnisses für die Beurteilung der Vermutung der Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses ein gewichtiges Indiz darstellen. Bei einer Dauer von 15 bis 20 Jahren ist von einem langen Vormietverhältnis auszugehen. Wenn der Vermieter den Mietzins im Vormietverhältnis also während mindestens 15 Jahren nicht anpasste, soll dies nach Dafürhalten des Bundesgerichts als Indiz zu werten sein, dass eine erhebliche Erhöhung des Mietzinses nicht zwangsläufig einen missbräuchlichen Mietzins begründet. In diesem Fall obliegt es letztlich dem Mieter, entweder basierend auf amtlichen Statistiken oder unter Angabe von fünf Vergleichsobjekten, den strikten Beweis zu erbringen, dass die Mietzinserhöhung in der Tat als missbräuchlich zu qualifizieren ist.

Schlussfolgerungen

Die Beweislast in Bezug auf die Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses liegt grundsätzlich beim Mieter, ausser es besteht eine massive Erhöhung (deutlich mehr als 10%) des Mietzinses. In solchen Fällen ist der Vermieter beweispflichtig. Hierbei können insbesondere Privatgutachten geeignet sein, die Vermutung der Missbräuchlichkeit zu erschüttern.

Bei der Beurteilung der Vermutung der Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses kommt schliesslich auch der Dauer des Vormietverhältnisses eine gewisse Bedeutung zu.

Der Entscheid 4A_183/2020 ist online abrufbar. Er ist ferner als Leitentscheid zur Publikation vorgesehen.

Sollten Sie zu diesem Thema Fragen haben, so steht Ihnen unser auf Mietrecht spezialisierte Partner Michel de Roche gerne zur Verfügung.