Schutz vor späteren Klagen!

Wenn die Vermieterschaft das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs kündigt und im darauf eingeleiteten Anfechtungsverfahren obsiegt, kann die Mieterschaft später keinen Schadenersatz geltend machen, falls die Vermieterschaft doch nicht einzieht. Und zwar unter Umständen auch dann nicht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Vermieterschaft gar nie einziehen wollte.

Eigenbedarf

Die ordentliche Kündigung eines Mietvertrages setzt keinen besonderen Kündigungsgrund voraus, sie darf aber nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen. Kommt es bezüglich des Mietverhältnisses zu einem Rechtsstreit, gilt eine Kündigung während des Verfahrens und innert drei Jahren nach dessen Abschluss von Gesetzes wegen als treuwidrig und damit rechtsmissbräuchlich. Diesfalls ist die Kündigung anfechtbar. Davon ausgenommen sind jedoch Kündigungen, die die Vermieterschaft wegen dringenden Eigenbedarfs für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte ausspricht. Zweifelt die Mieterschaft jedoch das Vorliegen eines solchen Grundes an, kann sie die Kündigung wegen vorgeschobenem Eigenbedarf anfechten.

Rechtskraft des Anfechtungsentscheids

Wird die Kündigung angefochten, muss die Vermieterschaft ihren Eigenbedarf glaubhaft machen können. Die Mieterschaft muss ihrerseits beweisen, dass der behauptete Eigenbedarf nicht besteht. Gelingt ihr das, ist die Kündigung missbräuchlich und das Mietverhältnis bleibt bestehen. Eine solche Beweisführung erweist sich jedoch oft als schwieriges Unterfangen, zumal es sich hierbei um zukünftige Umstände handelt und letztlich der subjektive Wille der Vermieterschaft bzw. deren nahestehenden Personen ausschlaggebend ist. Liegen objektive Gründe für einen Eigenbedarf vor, lässt sich kaum je beweisen, dass die Vermieterschaft trotzdem nicht gedenkt, die Wohnung für eigene Zwecke zu nutzen. Macht die Vermieterschaft ihren Eigenbedarf glaubhaft geltend und misslingt der Gegenbeweis der Mieterschaft, gilt die Kündigung nicht als missbräuchlich und die Klage ist abzuweisen. Unterliegt die Mieterschaft später auch im Rechtsmittelverfahren oder verzichtet sie gänzlich auf einen Weiterzug, ist die Rechtmässigkeit der Kündigung rechtskräftig festgestellt.

Entdeckung des vorgeschobenen Eigenbedarfs

Fraglich ist nun was geschieht, wenn die Mieterschaft später feststellt, dass die Vermieterschaft die Wohnung doch nicht selbst nützt, sondern diese zu einem höheren Mietzins weitervermietet. Zunächst ist diesfalls zu klären, ob der Eigenbedarf erst nachträglich weggefallen ist. Dieser Umstand würde nichts an der Rechtmässigkeit der zuvor ausgesprochenen Kündigung ändern. Wenn sich aber nun – aus welchen Gründen auch immer – nachträglich beweisen lässt, dass die Vermieterschaft den Eigenbedarf von Anfang an nur vorgeschoben hatte, stellt sich die Frage, ob die – nunmehr ausgezogene – Mieterschaft zumindest noch Schadenersatzansprüche, etwa für ihre Umzugskosten und einer allfälligen Mietzinsdifferenz, gegen die Vermieterschaft geltend machen kann. Das Bundesgericht schlägt sich in BGer 4A_563/2017 vom 19. Februar 2019 auf die Seite der Vermieterschaft: Wurde die Missbräuchlichkeit der Kündigung im Anfechtungsprozess verneint, liegt ein rechtkräftiger Entscheid über die Gültigkeit der Kündigung vor. Selbst wenn sich nun deren Missbräuchlichkeit im Nachhinein feststellen lässt, kann der Mieterschaft kein Schadenersatzanspruch zuerkannt werden, weil der neu befasste Richter an den rechtkräftigen Entscheid des Anfechtungsprozesses gebunden ist. Er darf sich über diesen auch dann nicht hinwegsetzen, wenn nicht mehr die Anfechtung, sondern nur noch Schadenersatz verlangt wird. So bleibt der Mieterschaft als einziger – zumindest theoretischer – Ausweg übrig, den rechtskräftigen Entscheid zunächst im Rahmen eines Revisionsverfahrens aufzuheben. Ob in einem solchen Fall jedoch die Voraussetzungen für eine Revision gegeben wären, ist zweifelhaft. Das Bundesgericht schweigt sich darüber weitgehend aus. Inwiefern die Mieterschaft hier ein schutzwürdiges Interesse vorbringen könnte, ist jedenfalls nicht ersichtlich, zumal sie unter solchen Umständen kein Interesse mehr an der Wiederaufnahme des Mietverhältnisses haben dürfte. Das Bundesgericht deutet zwar an, dass ein Revisionsgesuch auch dann gutgeheissen werden könne, wenn das Verfahren letztlich – wegen Gegenstandslosigkeit – zu einem Nichteintretensentscheid führe. Genaueres lässt der Entscheid diesbezüglich aber vermissen. Die Vermieter wird es freuen, denn selbst wenn sich eine Revision als möglich erweisen sollte, ist damit der Mieterschaft jedenfalls eine beachtliche doppelte Prozessbürde auferlegt. Das Bundesgericht hat dieses Ergebnis zugunsten einer prozessual stringenten Rechtsprechung hingenommen.

Fazit

Ist einmal rechtskräftig festgestellt, dass die Eigenbedarfskündigung nicht missbräuchlich war, muss die Vermieterschaft eine erneute Anfechtung auch dann nicht befürchten, wenn sie die Wohnung im Nachhinein doch nicht zu eigenen Zwecken beansprucht. Hierzu muss sie im Anfechtungsprozess lediglich objektive Anhaltspunkte nachweisen können und dabei ihren subjektiven Willen betreffend die Eigennutzung behaupten. Ist die Vermieterschaft erfolgreich, dient der Anfechtungsprozess letztlich ihrem eigenen Schutz. Die Mieterschaft müsste diesen zuerst wieder aufrollen, ehe sie – wenn ihr das überhaupt gelingt – nachträglich einen Schadenersatz geltend machen könnte. Dieser Weg erscheint äusserst steinig und wird wohl kaum jemals von einem Mieter in Anspruch genommen werden. Entsprechend wird der Entscheid von der mieterseitigen Literatur auch kritisiert.

 

Dieser Text erschien in der Juli-Ausgabe 2019 der Immobilia, der Verbandszeitschrift des SVIT Schweiz. Im Originalformat können Sie ihn hier herunterladen.

Bei Fragen rund um dieses Thema steht Ihnen Michel de Roche gerne zur Verfügung.