Vermietung von Stockwerkeigentum?

Anfang 2019 urteilte das Bundesgericht über das Verbot von kurzzeitigen Vermietungen, welches eine Stockwerkeigentümergemeinschaft in Nidwalden beschlossen hatte. Es erachtete diesen konkreten Beschluss als gesetzeskonform.

Das Bundesgericht nahm dabei aber eine wichtige Erkenntnis vorweg: Eine derartige Vermietung wäre angesichts der Umstände ohnehin nicht mit dem Wohnzweck der Liegenschaft vereinbar und deshalb schon ohne diesen Beschluss unzulässig gewesen. Seither waren verschiedentlich Beiträge und Publikationen mit dem Trugschluss zu lesen, dass die Frage der Kurzzeitvermietung im Stockwerkeigentum nunmehr geklärt sei. Übersehen wird dabei, dass es sich um eine Einzelfallrechtsprechung handelt, die nur beschränkt Raum für generalisierende Annahmen zulässt.

RECHTLICHE EINORDNUNG

Ein Stockwerkeigentümer hat kein Volleigentum an seiner Wohnung, sondern nur einen Miteigentumsanteil an einem gemeinschaftlichen Grundstück. Während die gemeinschaftlichen Bauteile von allen Miteigentümern benützt werden können, steht dem Stockwerkeigentümer das Sonderrecht an seiner Wohnung zu. Dieses kann er alleine benützen. Vom Grundsatz her ist deshalb ein jeder in der Nutzung seiner Stockwerkeinheit frei. Weil die Einheit aber Teil einer gemeinschaftlichen Liegenschaft ist, gibt es sowohl gesetzliche wie auch vereinbarte Schranken, die es zu beachten gilt. Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob die kurzzeitige Vermietung eines Miteigentumsanteils bzw. einer im Sonderrecht stehenden Stockwerkeigentumseinheit – etwa über Plattformen wie Airbnb – zulässig ist.

GESETZLICHE SCHRANKEN

Das Gesetz lässt die Kurzzeitvermietung im Stockwerkeigentum grundsätzlich zu und statuiert lediglich das Prinzip der schonenden Rechtsausübung. Hiernach darf die Ausübung des Sonderrechts die Rechte der anderen Stockwerkeigentümer nicht einschränken und gemeinschaftliche Bauteile nicht beschädigen oder beeinträchtigen. So lange also die – kurzzeitigen – Gäste bei der Nutzung der Stockwerkeinheit etwa die Hausordnung (Nachtruhe, etc.) einhalten, ist die Kurzzeitvermietung im Stockwerkeigentum von Gesetzes wegen nicht per se verboten.

GEWILLKÜRTE SCHRANKEN

Die freie Benutzung der Stockwerkeinheit kann aber durch die Gemeinschaftsordnung eingeschränkt werden, sei dies im Begründungsakt, im Reglement oder per einfacher Beschluss der Eigentümerversammlung. So darf die Gemeinschaft etwa die Zweckbestimmung sowie die Benutzungsweise der Liegenschaft bestimmen und für diese beispielsweise eine Wohn-, Hotel- oder eine Gewerbenutzung festlegen. Eine solche reglementarische Einschränkung kann relativ weit gehen, wobei sie sich auch nur implizit aus den Umständen und der bisherigen Nutzungsweise ergeben kann. Es gelten hier die üblichen Schranken der Vertragsfreiheit (Rechtsmissbrauch, übermässige Bindung bzw. Verletzung der Persönlichkeitsrechte, Unmöglichkeit, Widerrechtlichkeit, Sittenwidrigkeit, Übervorteilung, etc.) und – so die Rechtsprechung – auch die Schranken, welche sich aus der Institution des Stockwerkeigentums ergeben.

UNTERSCHIEDLICHE QUOREN

Soll die bisherige Nutzung einer Wohnung geändert werden, muss die Stockwerkeigentümergemeinschaft einen dahingehenden Beschluss fassen. Der Klarheit halber sollte gleichzeitig das Reglement angepasst werden. Nach den allgemeinen Regeln des Miteigentums ist hierzu eine qualifizierte Mehrheit erforderlich, d.h. eine Mehrheit nach Köpfen und Wertquoten. Wenn aber die geänderte Benutzungsweise den Gesamtcharakter der Liegenschaft verändert, dann ist deren Zweckbestimmung betroffen. Diesfalls bedarf es einer Zweckänderung, die grundsätzlich einen einstimmigen Beschluss der Gemeinschaft voraussetzt.

DIENEN KURZZEITVERMIETUNGEN EINEM WOHNZWECK?

Geht es um die Zulässigkeit von kurzzeitigen Vermietungen im Stockwerkeigentum, ist zu prüfen, ob vertraglich vereinbarte Schranken der Gemeinschaft einer solchen Nutzung entgegenstehen. Die Frage stellt sich am ehesten dann, wenn ein «Wohnzweck» festgelegt ist: Je nach Art und Umfang der Kurzzeitvermietung ist es in einer Wohnresidenz verständlich, dass sich andere Stockwerkeigentümer unter Umständen an den regelmässigen Kurzaufenthalten der Gäste stören. Darin liegt denn auch die Krux: Ausschlaggebend ist zum einen, was der (explizit oder implizit) vereinbarte Zweck bzw. die Nutzung der Liegenschaft ist. Dabei kommt es auch auf die konkreten Umstände an. So ist unter einem «Wohnzweck» in einer städtischen Residenz etwas Anderes zu verstehen als etwa hinsichtlich einer Ferienwohnung-Liegenschaft in einem Tourismusgebiet. Zum anderen entscheidet die konkrete Ausgestaltung und insbesondere die Häufigkeit der Kurzzeitvermietung im Wesentlichen darüber, ob diese noch mit dem Zweck bzw. der Nutzung der Liegenschaft vereinbar ist (vgl. schon BGE 144 III 19).

ZWISCHENFAZIT

Lässt sich die gewünschte Art der Kurzzeitvermietung nicht mit dem Wohnzweck der Liegenschaft vereinbaren, ist sie verboten. Will man sie erlauben, bedarf es eines einstimmigen Beschlusses der Gemeinschaft. Selbst aber, wenn die konkrete Kurzzeitvermietung noch mit dem Wohnzweck vereinbar ist, stellt sie in der Regel eine neue Nutzung der Stockwerkeinheit dar. Auch diesfalls bedarf es eines Beschlusses der Gemeinschaft zu deren Zulässigkeit, wobei hier eine qualifizierte Mehrheit ausreicht. Nur im umgekehrten Fall, nämlich wenn die Kurzzeitvermietung – unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – noch mit dem Wohnzweck (und der konkreten Nutzung) vereinbar ist, stellt sich die Frage, ob die Gemeinschaft die Kurzzeitvermietung verbieten darf. Dies hängt im Wesentlichen davon ab, ob ein solches Verbot institutionelle Garantien des Stockwerkeigentums verletzen würde. Falls ja, wäre ein solcher Beschluss anfechtbar.

UMSTÄNDE DES EINZELFALLS

Im vieldiskutierten Entscheid 5A_436/2018 vom 4. April 2019 wurde die Frage der Vereinbarkeit von Kurzzeitvermietungen mit einem festgelegten Wohnzweck wieder aufgegriffen. Es ging in diesem Fall um eine luxuriöse Liegenschaft mit 26 Einheiten und einer besonderen Infrastruktur (Schwimmbad und Sauna). Der Begründungsakt hielt zusätzlich fest, dass die Wohnungen nur dann für Geschäftszwecke benützt werden durften, wenn dies ohne wesentliche Störung der übrigen Eigentümer bzw. Hausbewohner möglich war. Im Reglement wurde präzisiert, dass die Verwendung für Erwerbszwecke mit regen Kunden- und Klientenverkehr (wie Arztpraxen, Labor, Pension, etc.) nicht gestattet war. Nun wurde eine Stockwerkeinheit regelmässig auf Airbnb vermietet. Die anderen Eigentümer störten sich daran, immer wieder fremde Leute in der Liegenschaft anzutreffen. Schliesslich fasste die Eigentümerversammlung einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit zur Änderung bzw. Ergänzung des Reglements, wonach die unregelmässige, tage-, wochen- oder monatsweise Vermietung nicht gestattet und nur eine dauerhafte Vermietung zulässig sei. Die an der kurzzeitigen Vermietung interessierte Person klagte auf Aufhebung dieses Beschlusses.

WAS DAS BUNDESGERICHT SAGTE – UND WAS NICHT.

Die Lausanner Richter erachteten die kurzzeitige Vermietung in ihrer konkreten Ausgestaltung als nicht mit dem – im Einzelfall ausgelegten – Wohnzweck vereinbar: Es handle sich bei der entsprechend ausgestalteten Kurzzeitvermietung nicht um ein gewöhnliches Mietverhältnis, sondern um eine parahotellerische Beherbergung (inkl. Reinigung; Beziehen der Betten; Betreuung der Gäste; etc.). Eine solche Nutzung sprenge in ihrer Regelmässigkeit den Wohnzweck der Liegenschaft, zumal es sich um eine luxuriöse Residenz mit Erstwohnungen handelte, die einen einigermassen intimen Rahmen aufwies. Damit ausdrücklich vorbehalten blieb die Zulässigkeit einer nur sporadischen Kurzzeitvermietung bzw. auch jene einer gleich regelmässigen bei einem – aufgrund der konkreten Umstände – weiter auszulegenden Wohnzweck.

DARF MAN KURZZEITVERMIETUNGEN VERBIETEN?

In einem obiter dictum erachtete das Bundesgericht auch das beschlossene Verbot der kurzzeitigen Vermietung als «mit Bundesrecht vereinbar» – wobei auch hier die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt wurden. Zum einen bedeute dieses Verbot keine wertmässige Aushöhung des Sonderrechts und verletze somit auch den Kerngehalt der Eigentumsgarantie nicht. Zum anderen stelle dieses Verbot – in der konkreten Liegenschaft – ein nachvollziehbares Bedürfnis der Gemeinschaft dar. Die Gemeinschaft muss also ein legitimes Interesse an einem solchen Verbot haben (sei es, weil gemeinschaftliche Teile zu sehr beansprucht werden oder sie in der Ausübung ihrer Sonderrechte gestört werden). Fehlt ein gemeinschaftliches Interesse an dem Verbot, ist dessen Beschluss unter Umständen schikanös und anfechtbar.

FAZIT

Wenn das Bundesgericht mit diesem Entscheid etwas geklärt hat, dann nur die Tatsache, dass es bei der vorliegenden Fragstellung keine einheitliche Praxis – und schon gar kein generelles Verbot – geben kann, sondern dass es immer auf den Einzelfall ankommt. Im Wissen, dass eine Einzelfallbetrachtung im Streitfall immer mit einer gewissen Rechtsunsicherheit verbunden ist, tut eine Gemeinschaft gut daran, die Frage der Kurzzeitvermietung zu klären. Im Idealfall geschieht dies schon bei der Begründung, wobei auch eine nachträgliche Ergänzung des Reglements möglich ist. Dabei ist zu abzuwägen zwischen einer bewussten «Nichtregulierung», einer beschränkten bzw. generellen Zulassung oder – sofern hierzu ein hinreichendes Interesse der Gemeinschaft besteht – einem Totalverbot. Wichtig ist, dass die nötigen Massnahmen vor Eintritt eines Konflikts getroffen werden, zumal sich die erforderlichen Quoren zur Klärung der Frage danach u.U. nicht mehr erreichen lassen.

 

Dieser Artikel erschien in der August-Ausgabe der Immobilia, der Verbandzeitung des SVIT Schweiz. Er ist eine Kurzform dessen, was Michel de Roche und unsere ehemalige Mitarbeiterin Dr. Noémi Biro anlässlich von zwei Veranstaltungen im November 2019 am Institut für Rechtsvergleichung in Bern sowie beim SVIT beider Basel  als Referat gehalten haben. Michel de Roche steht Ihnen bei Fragen rund um dieses und andere Immobilienthemen gerne zur Verfügung.