Wenn der Stockwerkeigentümer nicht zahlt...

Die Verwaltung von Stockwerkeigentum ist eine vielseitige und komplexe Aufgabe. Das Gesetz teilt dem Verwalter in Art. 712s Abs. 2 ZGB unter anderem die Aufgabe zu, die Beiträge der Stockwerkeigentümer einzuziehen. Weigert sich ein Stockwerkeigentümer trotz Rechnungsstellung und Mahnung die geschuldeten Beiträge zu zahlen, so ist der Verwalter gehalten, den Rechtsweg zu beschreiten.

Inkasso durch den Verwalter

Die Verwaltung von Stockwerkeigentum ist eine vielseitige und komplexe Aufgabe. Das Gesetz teilt dem Verwalter in Art. 712s Abs. 2 ZGB unter anderem die Aufgabe zu, die Beiträge der Stockwerkeigentümer einzuziehen. Weigert sich ein Stockwerkeigentümer trotz Rechnungsstellung und Mahnung die geschuldeten Beiträge zu zahlen, so ist der Verwalter gehalten, den Rechtsweg zu beschreiten. Tut er dies selbst, so muss er dies sorgfältig und korrekt tun, ansonsten er für den daraus entstehenden Schaden haftet. Will oder kann er dies nicht, so zieht er in der Regel einen Anwalt bei.

Beschlüsse bezüglich Beitragspflicht

Die Stockwerkeigentümergemeinschaft hat bezüglich Beitragspflichten jeweils mit einfachem Mehr Beschlüsse zu fassen. Vorbehalten sind selbstverständlich anderslautende Regelungen der Gemeinschaftsordnung:

  • Die Genehmigung der Jahresrechnung sowie die sich aus dieser ergebende Verteilung der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten inkl. der individuell zu leistenden Deckungsbeiträge.
  • Die Genehmigung des Kostenvoranschlages inkl. die individuelle Höhe der zu leistenden Vorschüsse;

Vertretungsmacht der Verwaltung im Verfahren

Bezahlt ein Eigentümer nach Rechnungsstellung und trotz Mahnung seine Beiträge nicht, so muss der Verwalter entscheiden, ob und wie er das Inkasso weiterführen will. Hierbei muss er bei der Beurteilung, ob ein rechtliches Inkasso Sinn macht, nicht nur den konkreten Einzelfall im Auge behalten. Vielmehr ist auch die Präzedenzwirkung eines Entscheids gegen ein Inkasso zu berücksichtigen, v.a. wenn dies aus Kostengründen erfolgt. Durch einen solchen Entscheid können sich auch andere Stockwerkeigentümer motiviert fühlen, künftig ebenfalls nicht oder nur teilweise zu bezahlen.

Der Verwalter muss sich zudem fragen, ob er ohne weitere Ermächtigung der Stockwerkeigentümergemeinschaft handeln darf oder nicht. Ist im Reglement, im Verwaltungsvertrag oder in sonstigen Beschlüssen der Gemeinschaft nichts Spezielles geregelt, so ist der Verwalter gemäss Art. 712t Abs. 2 ZGB nur befugt, die Gemeinschaft ohne weiteren Beschluss in summarischen Verfahren gemäss Art. 248 ff. ZPO zu vertreten. Diese Regeln umfassen im Bereich des Stockwerkeigentums die Aufhebung der Einsprache gegen Verfügungen über ein Stockwerk, die Ernennung und Abberufung der Verwaltung, die vorläufige Eintragung von gesetzlichen Grundpfandrechten sowie Massnahmen zur Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der Sache bei Miteigentum. Im summarischen Verfahren werden auch Rechtsöffnungs- und weitere Entscheide im SchKG herbeigeführt. Zudem hat die Verwaltung Vertretungsbefugnis und Entscheidungskompetenz im Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fällen, für gerichtliche Verbote sowie für vorsorgliche Massnahmen. Ist auf das beabsichtigte Verfahren nicht das summarische Verfahren anwendbar, so verfügt der Verwalter über keine gesetzliche prozessuale Vertretungsmacht. Ausgenommen sind dringliche Fälle gemäss Art. 712t Abs. 2 ZGB, in denen der Verwalter aber nachträglich eine Ermächtigung einzuholen hat. Gleichzeitig mit dem Entscheid über eine mögliche Prozessführung hat der Verwalter den Entscheid zu fällen, ob nebst der Forderungsklage auch eine Eintragung des gesetzlichen Pfandrechts der Stockwerkeigentümergemeinschaft für Deckungsbeiträge erfolgen soll.

Hat der Schuldner trotz Mahnung nicht bezahlt, so steht dem Verwalter die Möglichkeit der Betreibung offen. Festzuhalten ist, dass spätestens seit BGE 139 III 297 für beschlossene Beitragsforderungen zu Recht keine provisorische Rechtsöffnung mehr erteilt wird.

Der materielle Prozess

Eine Klage auf Zahlung ist am Ort der gelegenen Sache einzureichen. Dem materiellen Prozess geht – Ausnahmen vorbehalten – ein Schlichtungsverfahren voraus. Hierzu müssen die Parteien grundsätzlich persönlich erscheinen. Die Verwaltung kann die Gemeinschaft nur nach entsprechender Ermächtigung vertreten. Das Schlichtungsverfahren wird in der Regel mit einem Vergleich oder mit Erteilung der Klagebewilligung abgeschlossen. Auf das hierauf folgende Verfahren sind bei einem Streitwert bis und mit CHF 30'000.00 die Bestimmungen des vereinfachten, bei einem Streitwert über CHF 30'000.00 diejenigen des ordentlichen Verfahrens anwendbar.

Rechtsschutz in klaren Fällen

Rechtsschutz in klaren Fällen gemäss Art. 257 ZPO gewährt das Gericht im summarischen Verfahren. Es empfiehlt sich in den meisten Kantonen, ein sauber begründetes Gesuch zu formulieren. Nach einer Frist zur Stellungnahme entscheiden die Gerichte teilweise aufgrund der Akten, teilweise anlässlich einer Verhandlung. Wird kein Rechtsschutz gewährt, erfolgt ein Nichteintretensbeschluss; danach steht der ordentliche Prozessweg offen. Der Weg des Rechtsschutzes in klaren Fällen wird in der bisherigen Praxis v.a. bei der Ausweisung von Mietern nach einer Zahlungsverzugskündigung bzw. nach einer nicht angefochtenen, ordentlichen Kündigung genutzt.

Voraussetzung für ein erfolgreiches Verfahren ist, dass der Sachverhalt vom Beklagten unbestritten oder sofort beweisbar und die Rechtslage klar ist. Ein bestrittener Sachverhalt ist nur dann sofort beweisbar bzw. liquid, wenn er durch Urkunden oder allenfalls durch einen Augenschein an einem mitgebrachten Objekt bewiesen werden kann.[2] Anders als eine glaubhafte Bestreitung genügen nach Rechtsprechung und einhelliger Lehre offensichtlich unbegründete oder haltlose Bestreitungen, über die sofort entschieden werden kann, nicht, um einen klaren Fall auszuschliessen. Nebst dem Sachverhalt muss auch die Rechtsklage klar sein. Dies trifft zu, wenn sich die vom Gesuchsteller beantragte Rechtsfolge bei der Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Lehre und Rechtsprechung ohne Weiteres ergibt und damit die Rechtsanwendung zu einem eindeutigen Ergebnis führt.

Liegen nicht angefochtene und damit rechtskräftige Beschlüsse einer Stockwerkeigentümergemeinschaft bezüglich des Kostenvoranschlags und der zu leistenden Vorschüsse sowie bezüglich der Jahresrechnung und der Verteilung der entsprechenden Kosten vor, so sind diese in einem nachfolgenden Inkassoverfahren nicht mehr überprüfbar.[3] Sind die nachfolgenden Bedingungen eingehalten, so sind sowohl Sach- wie auch Rechtslage im Sinne von Art. 257 ZPO grundsätzlich klar.

Zur Versammlung wurde gültig eingeladen, Einladungsfristen wurden eingehalten. Die Beschlüsse wurden ordnungsgemäss traktandiert. Die Versammlung war beschlussfähig. Die Beschlüsse wurden mit dem vom Gesetz oder vom Reglement vorausgesetzten Mehr gefällt sowie ordnungsgemäss protokolliert und das Protokoll wurde rechtzeitig an den säumigen Schuldner verschickt. Die Anfechtungsfrist ist ungenutzt ausgelaufen. Entscheidend ist zudem, dass das Protokoll die Schuld des säumigen Zahlers ziffernmässig festhält.[4] Um die Protokolle, v.a. bei grösseren Gemeinschaften, nicht ins Unermessliche zu verlängern, können diese ziffernmässigen Erwähnungen entweder auf notorische Spät- oder Garnichtzahler beschränkt werden. Alternativ können die zu zahlenden Summen auch am Ende des bisherigen Protokolls eingefügt werden. Wichtig ist hierbei, dass die Unterschrift des Protokollführers unterhalb der festgehaltenen Schulden zu liegen kommt.

Chancen und Risiken

Das vorgeschlagene Vorgehen vereinfacht das Inkassoverfahren für die Verwaltung massiv, namentlich weil keine vorgängige Ermächtigung durch die Gemeinschaft erforderlich ist. Weil zudem das Schlichtungsverfahren entfällt, ist es auch deutlich schneller und kostengünstiger.

Der Autor hat dieses Vorgehen anlässlich eines Referats am 5. Luzerner Tag des Stockwerkeigentums zur Diskussion gestellt. Bisher sind ihm – mit Ausnahme von eigenen Fällen, welche ohne eigentlichem Urteil endeten – keine Fälle bekannt, in welchem der hier vorgeschlagene Weg beschritten worden ist. Nach den Ausführungen des Bundesgerichts in BGE 5D_95/2015 sowie den zitierten Bemerkungen von Prof. Jörg Schwarz besteht aber kaum mehr ein Zweifel, dass dieses Vorgehen bei korrekter Umsetzung zulässig ist. Aufgrund der Neuheit dieses Wegs wird empfohlen, diesen bis auf Weiteres nur unter Beizug von fachlich versierten Anwälten zu beschreiten.

Fazit

Das Inkasso von Beitragsforderungen beginnt bei der Erstellung der Jahresrechnung sowie dem Voranschlag für das laufende Jahr. Zahlt der Eigentümer trotz Mahnung nicht, so hat der Verwalter den Rechtsweg zu beschreiten. Hierfür steht ihm, sofern seine Betreibung mit Rechtsvorschlag belegt worden und keine Schuldanerkennung als Rechtsöffnungstitel gegeben ist, der «normale» Prozessweg mit vorgängiger Schlichtung, oder auch der Rechtsschutz in klaren Fällen zur Verfügung. Für letzteren Prozessweg, der auch zur Eintragung des Pfandrechts für Deckungsbeiträge zur Verfügung stehen kann, ist eine saubere Dokumentation aller wichtigen Schritte inkl. ziffernmässiger Erwähnung der eingeklagten Forderung gegen den Schuldner erforderlich.

Bei Fragen rund um Stockwerkeigentum berät Sie Michel de Roche gerne.

[1] Dieser Beitrag basiert auf einer deutlich längeren Publikation, welche am 5. Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2015 publiziert worden ist sowie auf einem Workshop anlässlich des diesjährigen Swiss Real Estate Campus. Diese verkürzte Version wurde zudem in den Novemberausgabe 2017 der Immobilia, der Verbandszeitschrift des SVIT Schweiz publiziert.
[2] Vgl. BGE 138 III 123 E. 2.1.1. mit Hinweis auf die Botschaft des Bundesrates in BBl 2006 7352 Ziffer 5.18.
[3] Vgl. BGer 5D_95/2015.
[4] Vgl. Jörg Schwarz, S. 127ff, in: Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2016.