Wenn es mal wieder schneit...
Der Winterdienst und die Haftung der Grundeigentümer

Leise rieselt der Schnee… aber neben Winterromantik kommt in der kalten Jahreszeit auch der ein oder andere Rechtsstreit hinzu: Vereiste Wege führen zu Stürzen und glatte Strassen zu Auffahrunfällen.

Aus rechtlicher Sicht stellt sich dabei folgende Frage: Wer haftet eigentlich bei Unfällen auf schnee- oder eisbedeckten Strassen und Trottoirs, wenn die Unfälle auf eine fehlerhafte Anlage oder mangelhaftem Unterhalt zurückzuführen sind? Die Gemeinden, die Grundeigentümer oder gar die Mieter?

Die Pflichten des Gemeinwesens…

Der Winterdienst auf öffentlichen Strassen, Wegen und Trottoirs ist grundsätzlich Sache des zuständigen Kantons oder Gemeinde, also dem sog. Gemeinwesen. Die Haftung beurteilt sich dabei nach der Werkeigentümerhaftung gemäss Art. 58 OR. Demnach haftet der Werkeigentümer für denjenigen Schaden, welcher auf mangelnden Unterhalt der Strasse oder Weges zurückzuführen ist.

Das Gemeinwesen darf sich bei den Winterdienstmassnahmen darauf beschränken, nur das ihm Zumutbare zu tun. Priorität haben dabei die Hauptverkehrsachsen, also insbesondere Strassen zu Bahnhöfen, Spitälern oder zur Feuerwehr. Erst sekundär werden Quartierstrassen, Fussgängerverbindungen, Treppen oder öffentliche Parkplätze geräumt.

Dabei ist zu beachten, dass Kantone und Gemeinden nicht dazu verpflichtet sind, das ganze öffentliche Strassen- und Wegenetz komplett vom Schnee zu befreien. Auch muss sich jeder einzelne Verkehrsteilnehmer auf öffentlichen Strassen selbst den Wetterbedingungen anpassen. Allein der Umstand, dass ein Unfall bspw. aufgrund von Glatteis verursacht wurde, lässt nicht zwingend auf mangelhaften Unterhalt schliessen.

…die Pflichten der Grundeigentümer…

Sache der Grundeigentümer ist hingegen immer die Schneeräumung vor Haus- und Garagenzufahrten. Dabei darf der Schnee nicht einfach auf das Trottoir oder die Strasse befördert werden, sondern muss an den Strassen und Trottoirrändern aufgetürmt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Schneeräumungsaktionen des Gemeinwesens beeinträchtigt werden. Verschmälerungen des Trottoirs oder der Fahrspur haben die nutzenden Personen zu akzeptieren. Es sollte jedoch zumindest so viel Platz vorhanden sein, dass sich zwei Personen problemlos passieren können.

Im Kanton Basel-Stadt müssen Trottoirs von den Eigentümern der angrenzenden Grundstücke bei Schnee und Eis begehbar gehalten werden. Die nutzbare Fläche soll gemäss § 103 der Bau- und Planungsverordnung mindestens 1 Meter betragen.

Nach Schätzungen des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt kommen aber nur etwa ein Drittel der Grundeigentümer ihrer Pflicht nach, das Trottoir zu räumen. Trotzdem wollte die Kantonsregierung die Grundeigentümer zunächst nur mit Sensibilisierungskampagnen zur Pflichterfüllung bewegen. Das war dem Großen Rat aber zu wenig: Am 19. Januar 2022 beauftragte der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt den Regierungsrat damit, die Regelungen bis zum Winter 2023/2024 so anzupassen, dass der Winterdienst auf Trottoirs Staatsaufgabe wird. Das wird den Kanton Basel-Stadt künftig mindestens 400‘000 Franken pro Jahr bei drei Einsätzen kosten. Der Kanton Basel-Stadt begibt sich damit auf einen Pfad, den vor ihm schon ein paar andere Schweizer Städte (U.a. Zürich, Bern, Winterthur, St. Gallen und Luzern) eingeschlagen haben.

Im Kanton Basel-Landschaft beschränkt sich der Winterdienst des Kantons auf die Freihaltung der Fahrbahnen der Kantonsstrassen (vgl. § 30 Abs. 3 Strassengesetz BL). Die Gemeinden sind zur Schneeräumung und zur Glatteisbekämpfung auf den Trottoirs an Kantonsstrassen innerhalb des Baugebietes verpflichtet. Die Abfuhr des Schnees von Fahrbahnen und Trottoirs ist ebenfalls Sache der Gemeinden. Sie können jedoch die Schneeräumung und Glatteisbekämpfung auf den Trottoirs durch Gemeindereglement den Anstössern überbinden. In der Gemeinde Liestal beispielsweise hält das Strassenreglement in § 31 fest, dass bei Schneefall und Eisbildung die Stadt für raschestmögliche Befahr- und Begehbarkeit zu sorgen hat. Private Grundeigentümer müssen nur die Zufahrten und Zugänge zu den einzelnen Liegenschaften freilegen. Demgegenüber überbindet die Gemeinde Binningen in §24 nicht nur die Freilegung der Zufahrten und Zugänge den privaten Eigentümern, sondern auch die Schnee- und Eisräumung der Trottoirs.

Demgemäss gilt: Wie das Gemeinwesen für die öffentlichen Strassen, so ist der Hauseigentümer für die Schneeräumung auf privaten Grundstücken zuständig. Dies als Werkeigentümer im Sinne von Art. 58 OR. Dieser verpflichtet den Grundeigentümer dazu, den gefahrlosen Zugang zu seiner Liegenschaft sicherzustellen. Kommt es zu einem Personenunfall auf einem privaten Grundstück, z.B. wenn eine Person auf einem vereisten Zugangsweg ausrutscht, so zahlen Krankenkasse- und Unfallversicherung zunächst die Kosten der verletzten Person. Sie können jedoch ihre Leistungen beim Grundeigentümer unter Umständen zurückfordern.

… und die Pflichten der Mieter

Interessant ist dabei, dass bei Mietobjekten zwar grundsätzlich der Vermieter verpflichtet ist, Schnee und Eis zu beseitigen, jedoch kann er seine Pflichten auch seiner Mieterschaft übertragen. Dafür bedarf es eine mietrechtliche Vereinbarung. Bei der Miete eines Einfamilienhauses ergibt sich die Schneeräumungspflicht des Mieters aus den Umständen.

Zu räumen ist im Übrigen täglich, also auch an Sonn- und Feiertagen. Es muss aber nicht bereits wenige Minuten nach dem ersten Schneefall damit begonnen werden. Selbstverständlich muss dem Hauseigentümer (oder dem Mieter) eine vernünftige Frist eingeräumt werden. Die Schneeräumungspflicht besteht dabei nur in der Zeit des Fussgängerverkehrs, d.h. von 07:00 Uhr (08:00 Uhr an Sonn- und Feiertagen) bis ca. 21:00 Uhr. Wie dem Nutzer der öffentlichen Strassen kann auch vom Fussgänger verlangt werden, dass er sich bei der Begehung von Privatgrundstücken entsprechend dem Wetter vorsichtig verhält.

Fazit: Präventiv handeln

Kommt es auf einem privatem Grundstück zu einem Unfall aufgrund von mangelhafter Wartung, so haftet grundsätzlich der Eigentümer. Es ist also zusammenfassend festzuhalten, dass Hauseigentümer und Liegenschaftsverwalter sich möglichst schon vor dem ersten Schneefall mit der Werkeigentümerhaftung und den lokalen Sonderreglungen befassen und entsprechend organisatorische Vorkehrungen treffen müssen. Denn ein alfälliger Rechtsstreit würde sich doch definitv störend auf die Winterromantik auswirken.

 

Bei Fragen wie diesen und allen anderen Immobilienthemen steht Ihnen Michel de Roche gerne zur Verfügung.